Dass Michelin sehr gute, sportliche Motorradreifen baut, steht wohl außer Frage. Mehr als zwei Dutzend MotoGP WM Titel auf Michelin sowie unzählige Siege in den verschiedensten Rennserien sprechen eine deutliche Sprache. Und auch auf öffentlichen Straßen sind die Gummis aus Frankreich eine echte Macht. Spätestens mit der Einführung des Michelin Pilot Power im Jahr 2004 kam fast niemand mehr an der Marke mit dem Ballonmännchen vorbei. Der Pilot Power war so etwas wie die eierlegende Wollmilchsau, denn er punktete nicht nur mit Stabilität und tollem Handling, sondern überzeugt auch unter fast allen Bedingungen mit großartigem Grip.
Sportliche Straßenreifen können sie also und da Michelin ab 2016 als Alleinausrüster die MotoGP mit schwarzen Superklebern versorgen wird, sind auch die nächsten GrandPrix Erfolge im wahrsten Sinne des Wortes garantiert.
Doch im Bereich dazwischen war es in den letzten Jahren um die Franzosen etwas ruhiger geworden. Denn bei den sogenannten Hypersportreifen, zu deren Einsatzgebiet neben öffentlichen Straßen auch die Rennstrecke zählt, musste man gegenüber der Konkurrenz deutlich Federn lassen. Zwar wurde 2013, zeitgleich mit der Präsentation des Pilot Power 3, auch der Power Supersport vorgestellt, der genau für dieses Einsatzgebiet entwickelt wurde, doch sowohl bei der Erstausrüstung supersportlicher Motorräder, als auch bei der Gunst der Käufer zog Michelin den Kürzeren. Und auch im Hobbysport spielt Michelin aktuell alles andere als die erste Geige. Macht man eine Tour durch die Fahrerlager der Nation, sieht man viel häufiger Elefanten denn Michelin-Männchen auf den Reifenflanken. Doch das könnte sich jetzt ändern.
Ende April präsentierte Michelin auf der malerisch gelegenen GrandPrix Strecke von Mugello den angereisten Vertretern der Fachpresse die neue Hypersportreifen Generation, die gleich 6 neue Modelle umfasst. Die Bandbreite erstreckt sich hier vom Michelin Power Supersport Evo, mit dem sehr sportliche Straßenfahrer mit Rennstreckenambitionen angesprochen werden sollen, bis hin zum Power Slick Ultimate, mit dem die ganz Schnellen nicht nur die letzten Zehntel an der Bestzeit abfeilen, sondern auch um Podestplätze kämpfen können. Zwischen diesen beiden Modellen liegen der Michelin Power Cup Evo, der Power Cup Ultimate und der Power Slick. Ebenfalls neu ist der Michelin Power SuperMoto, der, wie der Name schon sagt, speziell für Supermotos entwickelt wurde. Schon verwirrt?! So ging es uns am Anfang auch, daher alles der Reihe nach.
Was ist neu?
Die neuen Reifen zeichnen sich nicht nur durch neue, sportlichere Gummimischungen aus, sondern es wurden bei allen Modellen auch grundlegende Veränderungen am Aufbau und der Bauweise vorgenommen. Die Entwicklung der neuen Produktpalette begann vor einem Jahr, also mehr oder weniger zeitgleich mit der Bekanntgabe der Rückkehr in die MotoGP, in der ab 2016 von 16,5 Zoll Rädern auf die für Straßenmotorräder typische 17 Zoll Bereifung gewechselt wird. Wer sich jetzt aber schon über GrandPrix-Technik im Straßenreifen freut, wird aktuell leider noch enttäuscht. Laut Michelin Entwicklungsingenieur Romain Bouchet wurde bei der Arbeit an den neuen Reifen zwar auch auf die Simulationsprogramme zurückgegriffen, die bei der Entwicklung der MotoGP Reifen zum Einsatz kommt, hier enden die Gemeinsamkeiten aber bereits. Weltmeisterliche Gene tragen einige der neuen Modelle aber dennoch in sich.
Michel Power Supersport Evo
Wie das Kürzel „Evo“ verrät, ist der straßenzugelassener Supersport Evo der direkte Nachfolger des Michelin Supersport aus dem Jahr 2013, doch die Neuerungen sind viel umfassender, als die drei zusätzlichen Buchstaben vermuten lassen. Aufgrund des ohnehin sehr hohen Gripniveaus des Vorgängers wurde die Gummimischung des Evo am alten Modell angelehnt und die eigentlichen großen Veränderungen verstecken sich unter der Lauffläche mit nun nur noch fünfzehn Prozent Negativprofilanteil. Gleich zwei technische Neuerungen ließ Michelin in den Reifen einfließen und verwendet im Supersport Evo erstmals die ACT Technologie sowie den 2CT+ Aufbau, die nächste Evolutionsstufe der 2CT Bauweise. Sowohl ACT als auch 2CT+ werden nur am Hinterrad angewandt und sollen gleichermaßen die Stabilität beim Geradeauslauf und die Haftung in Schräglage verbessern.
Bei der Advanced Casing Technology – kurz ACT – sind nicht nur die beiden Karkasslagen in unterschiedlichen Winkeln angeordnet (einmal 70° und einmal 90°), wodurch eine erhöhte Flexibilität im Bereich der Lauffläche erreicht wird, sondern die erste Lage umschließt auch den Wulstkern und den Kernreiter des Reifens, was im Bereich der Seitenwand zu einer dreilagigen Karkasse und damit zu äußerst stabilen Flanken führt. Darüber hinaus ermöglicht dieses Verfahren auch ein problemloses Absenken des Luftdrucks für den Rennstreckenbetrieb und Michelin verspricht eine dadurch bis zu 52 Prozent größere Auflagefläche und so mehr Grip in Schräglage.
Auch die 2CT+ Technologie zielt auf mehr Stabilität auf den Flanken ab. Im Gegensatz zur bekannten 2CT Bauweise setzt sich bei den neuen Reifen die harte Mischung aus der Reifenmitte unter der weichen Mischung auf den Schultern zur Seitenwand hin fort und sorgt so ebenfalls für mehr Steifigkeit.
In Kombination sorgen beide Technologien dafür, dass der Reifen – abhängig von der Schräglage – von der Reifenmitte hin zu den Schultern immer steifer wird und somit immer bestmögliche Stabilität bietet.
Michel Power Cup Evo
Auch der Michelin Power Cup Evo verfügt über die neue Advance Casing Technologie und ist als profilierte Ausführungen des Power Slick Evo für Rennentrainings sowie Rennen im Hobbysport gedacht. Die für den Power Cup Evo verwendete Gummimischung stammt direkt von den Michelin-Reifen aus der Langstreckenweltmeisterschaft und zeichnet sich durch ein extrem breites, nutzbares Temperaturfenster von 5°C – 35°C Außentemperatur aus. Da die neue Mischung in allen Bereichen besser funktioniert als die Vorgängervariante des Power Cup, verzichtet Michelin auf die alte Abstufung der Gummimischungen A, B und C und bietet nur noch einen Gummi für alle Einsatzzwecke an. Auch auf die 2CT+ Technologie verzichtet man hier völlig und vertraut hier lediglich auf die ACT-Karkasse sowie die bekannte 2CT Bauweise mit unterschiedliche Mischungen für Reifenflanken und Lauffläche an Vorder- und Hinterrad.
Während es den Supersport Evo jetzt auch in der Größe 180/60 ZR 17 und damit in allen gängigen Reifendimensionen für Supersportler gibt, verzichtet man beim neue Cup Evo unverständlicherweise auf den größeren Querschnitt für 180er Reifen.
Roll Out
Doch grau ist alle Theorie, was wirklich zählt, sind Fahreindrücke. Und die sind auf dem Grand Prix Kurs äußerst intensiv. Los ging es in den ersten beiden Turns mit dem Supersport Evo und der 2015er R1. Da die Strecke durch die verregnete Nacht noch feuchte Stellen aufwies und für viele Piloten nicht nur die Reifen sondern auch der Kurs in der Toskana neu war, wurde der erste Turn aus Sicherheitsgründen mit zwei Einführungsrunden hinter einem der Michelin Testfahrer gestartet.
Doch es zeigte sich schnell, dass jede Sorge unbegründet war. Dank der sehr kurzen Aufwärmphase baut der der Supersport Evo auf der Rennstrecke schon nach wenigen Kurven ordentlich Grip auf und vermittelt so auch auf unbekanntem Terrain schnell viel Vertrauen. Dieses setzt sich auch bei zunehmendem Tempo und den typischen Fehlern auf einem neuen Kurs fort. Man hat die angepeilte Linie etwas verfehlt und muss in Schräglage nachkorrigieren? Mit dem Michelin Kein Problem. Einfach ein leichter Zug am Lenker und der Reifen fällt leichtfüßig und ohne böse Überraschungen in tiefere Schräglagen. Man war doch zu schnell und zu optimistisch auf der Bremse? Auch das bringt den Piloten nur kurz, den Vorderreifen gar nicht aus der Ruhe, da man selbst mit dem straßenzugelassenen Supersport Evo stressfrei in Schräglage verzögern kann, ohne dabei mit lästigem Aufstellverhalten des Reifens kämpfen zu müssen. Wenn man wirklich etwas am Supersport Evo monieren möchte, so ist es vielleicht ein leichtes Einknicken des Hinterrades beim ganz harten Beschleunigen. In Summe addierten sich die positiven Eigenschaften bei den ganz schnellen Piloten mit etwas Mugello-Erfahrung zu einer Rundenzeit von unter 2:05 Minuten. Für einen Straßenreifen mehr als beachtlich.
In Turn drei ging es dann auf noch höherem Niveau weiter. Nun war der Power Cup Evo an der Reihe, der auf Freizeit-Racer und schnelle Rennstreckenrunden ausgelegt ist. Wieder ging es auf nagelneuen Reifen auf die Strecke und zur großen Überraschung wurde wir auch auf die Hobby-Rennpelle losgelassen, ohne das diese vorher mit Reifenwärmern auf Temperatur gebracht wurden. Es gab von der Technik-Crew nur die kurze Info „New tyres“. Das war´s. Die Michelin-Männer sind vom Reifen also völlig überzeugt. Inzwischen hatte die italienische Sonne die Luft zwar auf angenehme 22 Grad erwärmt und auch die Strecke war komplett abgetrocknet, ganz wohl war mir bei der Sache aber noch nicht.
Doch alle Zweifel waren unbegründet. Testmotorrad war dieses Mal die die neue S 1000 RR und auch auf der BMW verhält sich der Reifen absolut neutral und unauffällig. Vor allem begeisterte der Cup Evo durch den tollen Grip, den der Reifen schon nach kürzester Zeit und ohne Vorwärmen erreicht. Eineinhalb Runden reichen aus, um das Haftungsniveau des Supersport Evo zu übertreffen und nach nur 2 Umläufen fühlt es sich an, als stemme sich der reifen förmlich gegen das Motorrad.
Abermals beeindruckend: Die Stabilität. Sowohl bei viel Schräglage in den schnellen Ecken wie der Arrabiata eins und zwei, als auch beim Anbremsen aus Höchstgeschwindigkeit am Ende der 1,1 km langen Zielgerade lässt sich der Reifen nicht aus der Ruhe bringen und vermittelt dem Hobbypilot absolute Souveränität. Den ganz Schnellen unter den Testfahrern war der Cup Evo sogar fast zu stabil, da der Reifen im Grenzbereich wohl etwas Rückmeldung vermissen lässt.
Für diejenigen, die in Hockenheim regelmäßig unter 1:50 Min fahren und damit tatsächlich so zügig unterwegs sind, dass sie den Power Cup Evo und den baugleichen Power Slick Evo an die Grenzen bringen, bietet Michelin dann immer noch den Cup Evo Ultimate und den Power Slick Ultimate als High-End Rennpellen. Diese bewegen sich von ihrer Performance absolut auf Wettbewerbsniveau, legen in puncto Stabilität tatsächlich noch mal eine Schippe nach und bieten dabei aber auch am Vorderrad die nötige Transparenz, um im Kampf um Podiumsplatzierungen das letzte aus sich und dem Material herauszuholen. Hier sind dann auch 3 verschiedene Mischungen für sich ändernde Temperatur- und Streckenbedigungen verfügbar. Doch das hohe Niveau bedingt auch eine gewisse Exklusivität: Die Ultimate Varianten des Power Cup Evo und des Power Slick Evo werden nicht im normalen Einzelhandel verfügbar sein.
We Are All Racers
We Are All Racers: unter diesem Motto werden die neue Hypersport Reifen aus Frankreich beworben und einen treffenderen Slogan hätte man für die Gummis auch nicht finden können. Egal, ob auf Yamaha R1, BMW S 1000 RR oder Ducati Panigale, völlig gleich ob in der Hobbyrennserie, beim Renntraining oder einfach nur beim Sprint zum Motorradtreff – die neuen Michelins werden sicher ganz vorne mitfahren.
Hier gibt´s ein paar Onboard-Eindrücke vom Test in Mugello:
2 Pings
[…] untergeordnete Rolle. Um sich wieder stärker auf diesem Markt zu positionieren, folgte 2015 die Einführung des Supersport Evo, doch auch dieser Reifen konnte die Sportlergemeinde nicht wirklich überzeugen. Nun startet […]
[…] untergeordnete Rolle. Um sich wieder stärker auf diesem Markt zu positionieren, folgte 2015 die Einführung des Supersport Evo, doch auch dieser Reifen konnte die Sportlergemeinde nicht wirklich überzeugen. Nun startet […]