BMW ist auf einer Mission. Nachdem die Bayern bereits 2012 mit Marco Melandri kurz davor standen, den Titel in der Superbike-Weltmeisterschaft nach München zu holen, hat es 2024 mit Ausnahmetalent Toprak Razgatlıoğlu endlich geklappt. Doch das BMW Superbike ist inzwischen nicht nur in der WM das Maß der Dinge. In den letzten zehn Jahren wurden 21 von 26 TT-Rennen, in denen Superbikes an den Start gingen, auf BMW gewonnen. 2025 soll nun der letzte noch fehlende Titel im Straßensport geholt werden. Folgt dann der nächste große Schritt?
Es ist Mitte Januar noch kalt und grau in Berlin, als BMW Motorrad Motorsport zur Präsentation des Teams für 2025 in die BMW Motorradwelt am Zweiradwerk in Berlin-Spandau lädt. Dass sich die Bayern für die kommende Saison anders und vor allem breiter aufstellen, wurde schon im Vorfeld klar. Denn neben dem offiziellen Werksteam um Prinzipal Shaun Muir, das mit Toprak Razgatlıoğlu 2024 für BMW endlich den lang ersehnten WM-Titel einfahren konnte, sollten auch das Team für die Langstrecken-WM und die Fahrer – Achtung – für die diesjährige Tourist Trophy auf der Isle of Man vorgestellt werden.
Mit dem aktuellen schnellsten Mann auf dem Mountain Course, Peter Hickman, und dem diesjährigen Senior-TT-Gewinner Davey Todd ging es dann auch los. Beide starten bei der diesjährigen TT auf der BMW M 1000 RR im FHO-Team. Während BMW in der Superbike-WM und in der Langstrecken-WM (EWC) von einem Werkseinsatz spricht, ist die Bindung zum Road Racing nicht ganz so eng, wie BMW Motorrad Motorsport-Direktor Sven Blusch im Interview bestätigt: „Dass man mich in meiner neuen Position 2024 als Erstes zur TT geschickt hat, war spannend. Ich bin schon immer ein großer Fan. Das Event einmal vor Ort erlebt zu haben, war – ich würde fast sagen – bewusstseinserweiternd. Die TT wird für uns aber nie ein Werkseinsatz sein.“

Sven Blusch (links) verantwortet seit 2024 den Bereich Motorsport beim BMW Motorrad
Angesprochen auf die Entwicklungsrelevanz der unterschiedlichen Rennsportaktivitäten klärt sich im Gespräch mit Technikdirektor Chris Gonschor auch, warum das trotz der großen Erfolge bei der TT in den vergangenen Jahren so ist: „Die TT hat völlig andere Anforderungen als die Langstrecken-Weltmeisterschaft. Die Langstrecken-Weltmeisterschaft hat wiederum völlig andere Anforderungen als die Superbike-Weltmeisterschaft, und in der Superbike-WM haben wir aufgrund des Niveaus und der Freiheitsgrade des Reglements eine andere Anforderungswelt als in den nationalen Meisterschaften.
Einerseits versuchen wir, über alle Meisterschaften hinweg Grundgene in zukünftige Modellgenerationen einzubauen. Auf der anderen Seite kannst du aber auch nicht auf alle Rennsportaktivitäten bereits im Serienmotorrad reagieren. Am Ende des Tages muss man, wie so oft im Leben, einen Kompromiss wählen.
Das heißt: Ja, wir holen uns die Anforderungen aus dem Rennsport. Aber es geht natürlich nicht so weit, dass man eine M oder S 1000 RR auf Road-Racing-Anforderungen auslegt. Man braucht eine realistische Balance zwischen Einsatzzweck und Anzahl. Hier stehen ein oder zwei Motorräder für Davey und Peter 10.000 gebauten Einheiten im Jahr gegenüber.“

Chris Gonschor (links) arbeitet seit Stunde eins am Superbike-Projekt bei BMW und ist heute technischer Leiter bei BMW Motorrad Motorsport
Deutlich größeren Einfluss auf die M 1000 RR haben die Erfahrungen aus der Superbike-WM, für die das Lastenheft für die Entwicklungsabteilung direkt durch die Rennsportabteilung gefüllt wird. Der Weg zum Titel war dennoch lang. Zur Erinnerung: Bereits 2009 debütierte BMW mit Troy Corser und Ruben Xaus auf der S 1000 RR in der WM. 2012 sah es lange so aus, als könne Marco Melandri um den Titel kämpfen, am Ende wurde es der dritte Gesamtrang. Danach tat man sich immer wieder schwer; 2023 gab es für BMW-Fahrer nicht einen Podestplatz. Neuzugang Toprak Razgatlıoğlu brachte im vergangenen Jahr dann nicht nur die Wende, sondern auch endlich den Titel. Auch 2025 tritt das SMR-Team mit dem Weltmeister aus der Türkei und seinem niederländischen Teamkollegen Michael van der Mark an. Klares Ziel ist die Titelverteidigung.

Goldjunge – Toprak Razgatlıoğlu holte 2024 für BMW endlich den WM-Titel
Wer jetzt denkt, das türkische Ausnahmetalent mit der Startnummer 54 sei der einzige Grund, dass es 2024 so steil bergauf ging, könnte sich irren, wie Sven Blusch beschreibt: „Es wird keinen Personalwechsel beim Team geben. Das Fahrer-Line-up bleibt das Gleiche. Daher glaube ich, dass wir auch wieder sehr gut aufgestellt sind. Man muss überall schauen, dass man die ganzen kleinen Stellschrauben über den Winter findet. Aber ich glaube, dass unser Teamgefüge letztes Jahr der Schlüssel zum Erfolg gewesen ist – und natürlich Toprak als außergewöhnlicher Fahrer, das ist auch klar. Im Endeffekt muss alles zusammenpassen. Ich glaube, das ist die große Kunst im Motorsport: alle Bereiche möglichst auf 100 Prozent zu bringen.“
Dass ein ganzheitlicher Ansatz das Erfolgsgeheimnis zu sein scheint, spürt man auch bei Technik-Mastermind Gonschor, der nach über 20 Jahren Erfahrung im Superbike-Projekt auf der Technikseite einen ähnlichen Ansatz verfolgt. Auf die Frage, welche technischen Änderungen neben der Verpflichtung von Razgatlıoğlu den größten Einfluss hatten, antwortet er: „Am Ende des Tages musst du tatsächlich fast jedes Bauteil angehen, um das Gesamtniveau weiter anzuheben. Und der größte Wechsel von 2023 auf 2024 war nicht ein Bauteil, sondern die Tatsache, dass wir das Motorrad – auch mit den Negativerfahrungen, der Rückmeldungen der Fahrer – so weit verändert haben, dass wir in ein Arbeitsfenster kamen, wo wir wussten: Jetzt sind die Hauptkritikpunkte alle attackiert, und jetzt müssen wir das Puzzle so neu justieren, sortieren und in Balance bringen, dass es eben auch für mehr als einen Fahrer funktioniert.

Peter Hickman (Mitte links) und Davey Todd (Mitte rechts) treten 2025 bei der TT auf BMW M 1000 RR an
Deswegen war es nicht die eine Änderung. Es war eher ein Methodenwechsel in der Herangehensweise: Lasst uns das Gesamtpaket stabilisieren und optimieren und nicht jedes Jahr das eine neue Teil oder die Änderungen bringen, von denen man glaubt: Jetzt haben wir es.“
Neben der Verteidigung der Krone in der World Superbike ist noch ein weiterer Titel klares Ziel für 2025: der Sieg in der Langstrecken-WM (EWC). Mit der Verpflichtung von Ex-EWC- und WSBK-Weltmeister Sylvain Guintoli wurde hierfür schon zum Saisonbeginn 2024 eine wichtige Weiche gestellt. Nun gab es weitere relevante Änderungen. An der Seite von Guintoli und BMW-Stammfahrer Markus Reiterberger komplettiert Steven Odendaal das Einsatztrio in diesem Jahr. Der Este Hannes Soomer, der 2025 auch zu den Titelfavoriten in der Internationalen Deutschen Meisterschaft zählt, komplettiert das Fahrer-Line-up als Ersatzfahrer. Eine entscheidende Änderung am Motorrad mit der Nummer 37 fiel aber nur am Rande auf: Nachdem man beim BMW Motorrad World Endurance Team in den vergangenen Jahren auf Dunlop in der EWC antrat, setzt man 2025 auf Bridgestone. Teamchef Werner Daemen erklärt, warum: „Die Entscheidung haben wir mit BMW getroffen, aber auch die Fahrer haben danach gefragt. Fast alle Werksteams fahren auf Bridgestone. So haben wir auch keine Ausreden mehr.“ Klingt, als hätte man auch in der EWC alle Puzzleteile zusammen.

Slyvain Guintoli, Steven Odendaal, Markus Reiterberger, Team-Chef Werner Daemen und Hannes Soomer (v.l.n.r.) bilden das BMW EWC-Team
Doch was passiert, wenn 2025 tatsächlich der Hattrick gelingt und man am Ende in der WSBK, der EWC und bei der TT ganz oben steht? Folgt dann der nächste Schritt? Angesprochen auf die Frage, welche Optionen man für 2026 und darüber hinaus in Betracht zieht und ob Prototypenklassen infrage kommen, hält sich Motorsport-Direktor Sven Blusch noch sehr bedeckt: „Das ist jetzt schwierig zu sagen. Ich schaue mir die verschiedenen Motorsportserien und Bereiche an, schaue, was für uns passt, und brauche dann aber auch den Input von allen anderen Bereichen. Ich bereite das auf, und anschließend wird über alles zusammen gesprochen. Daher kann ich noch nicht sagen, in welche Richtung es geht. Das ist dann Teil der Strategie, wenn wir sie vorstellen. Zu einzelnen Teilen kann ich vorher nichts sagen.“
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