Ich war mal wieder im Kino. Das ist soweit noch nichts Besonderes, aber das, was ich dort mal wieder am eigenen Leib erfahren musste, ist mir schon ein paar Zeilen wert – Der 3D-Film-Wahn.
Kurz nach der Mittagspause steckte gestern mein Kollege Marc seinen Kopf in mein Büro und fragt mich, ob ich Lust hätte, am Abend spontan mit ins Kino zu gehen. Da zu diesem Zeitpunkt bereits absehbar war, dass ich sowieso bis sieben im Büro bleiben würde, sagte ich kurzerhand zu. Nach zehn Stunden des Starrens auf Exceltabellen und meinen kleinen Monitor, würden mir zur Abwechslung bunten Bilder auf einer riesigen Leinwand sicher gut tun…
Es sollte in TRON Legacy gehen, den Nachfolger des achtziger Jahre Klassikers mit Jeff Bridges. Und wie das in der schönen neuen (Kino)Welt so ist, musste der Streifen natürlich in 3D geschaut werden. Hätte ich mich zu diesem Zeitpunkt doch nur an die Kritik im Neon erinnert, in welcher, unter dem treffenden Titel „EnT(h)ront“, nicht viel Gutes über den Film geschrieben stand. Aber ich versprach mir ja einen erholsamen Feierabend und so habe ich das wohl bewusst verdrängt.
Um kurz vor sieben holten mich meine Kollegen ab und der Abend begann vielversprechend und entspannt bei Pizza und Bier im Foyer des Kinos. Etwas weniger entspannt wurde es, als ich die Karten entgegennahm. Trotz Kinotag (ein normales Ticket kostet dann für gewöhnlich 5,50 €) musste man 10, in Worten ZEHN, Euro für das Ticket berappen. Das waren ganze 4,50 Euro mehr, als am Spartag üblich. Die Filmindustrie lässt sich die zusätzliche Dimension anscheinend teuer bezahlen. Und natürlich die zwanzig Minuten Überlänge. Doch an das, in meinen Augen, eigentliche Ärgernis hatte ich bisher noch gar nicht gedacht. Die 3D-Brille.
Es gibt zwar heute nicht mehr das rotgrün verglaste Hippie-Modell. Die Teile kommen eher schon fast als stylische Mischung moderner Nerdoptik mit dickem Rand und einer Ray-Ban Wayfarer daher. Aber ich hasse es, eine Brille zu tragen. Ich ziehe selbst meine Sonnenbrille nur im Notfall auf. Und die habe ich ja nicht nur wegen des Aussehens, sondern auch aufgrund ihrer guten Passform gekauft. Ganz anders natürlich die Kinobrille. Egal ob groß oder klein, dick oder dünn, gerade oder krumm, sie muss auf alle Nasen beziehungsweise an alle Köpfe passen.
Nach einer gefühlten Stunde Werbung, vornehmlich für die zukünftigen 3D-Blockbuster, ging es dann endlich los. Vorweg gab es aber noch den Hinweis, dass aus stilistischen Gründen nicht alle Filmsequenzen in 3D sind, man aber doch bitte die Brille immer auflassen solle. Zum Glück lasse ich mich nur ungern bevormunden. Die ersten 20 Minuten waren dann gleich mal im normalen Kinoformat gedreht. Und so konnte ich wenigstens den Anfang des Films in scharfer und unverfälschter Qualität genießen. Ohne Brille versteht sich.
Doch dann ging es in die pixelige TRON-3D-Welt. Es schien fast so, als wurde von nun an die ohnehin schon geringe Tiefe der Handlung dafür verwand, um erwünschte Tiefe im Bild zu generieren. Aber man muss schon sagen, der 3D-Effekt ist schon ganz witzig. Vor allem dann, wenn man den Blick einmal von der Leinwand abwendet und über die Menge der bebrillten Zuschauer schweifen lässt. Großartig. Ich musste sofort an die kommende TV-Gerätegeneration denken, die uns zukünftig diesen Spaß auch in die Wohnzimmer bringen soll. Was werden das für lustig-romantische DVD-Abende zu zweit!
Aber zurück zum Film. Wobei es hier nicht viel zu erzählen gibt. Der junge Sam Flynn (Jeff Bridges´ Sohn) aka „der User“ kämpft, fährt und schießt sich langatmig durch die programmierte Parallelwelt, in der das, im wahrsten Sinne des Wortes, einzige, optische Highlight die schöne Computer-Halbgöttin Quorra (gespielt von Olivia Wilde) ist. Ich langweile mich zu Tode. Und stelle mir die Frage: Braucht man als Zuschauer heute wirklich 3D-Filme, um packendes und faszinierendes Kino zu erleben? Oder täuscht das optische Geplänkel doch oft nur über die fehlende Qualität der, vermeintlichen, cineastischen Meisterwerke hinweg? Nehmen wir zum Beispiel Avatar. Unter dem Einsatz modernster und auch teurer Technik produziert, lässt die Story doch ziemlich zu wünschen übrig. Ein einfach gestricktes „Cowboy und Indianer“ in Farbe und knallbunt. Aber macht die 3D Projektion das Leinwanderlebnis hier wirklich so viel besser? Ich für meinen Teil wäre nicht weniger unterhalten gewesen, denn bildgewaltig ist der Film allemal.
Bleibt nur zu hoffen, dass dem mündigen Zuschauer, auch im Kino der nahen Zukunft, die Wahl zwischen Standard- und 3D-Format bleibt. Und ich wünsche mir, dass nicht jeder Schinken in teurer 3D-Technik produziert wird, sondern die Gelder lieber in gute Drehbücher investiert werden.
Inzwischen ist der Film zu Ende, dass Licht geht an und ich sehe doch so einige enttäuschte Gesichter. Auch die Gesprächsfetzen, die ich auf dem Weg aus dem Kinosaal so aufschnappe, spiegeln meine persönlichen Eindrücke wider. An der Tür wartet eine junge Dame an einer, mit 3D-Webung bedruckten, Tonne und bittet lächelnd um das Einwerfen der Brillen. Endlich bin ich sie wieder los. Allerdings begegnet mir auf dem Weg zum Ausgang noch ein lebensgroßer Justin Bieber aus Karton und wirbt für seinen ersten Kinofilm in 3D. Hoffentlich bleibt uns ein zweiter Teil erspart…
Just my two cents,
Michel
2 Kommentare
So, dann will ich mal bisschen kommentieren:
3D – nicht unbegrenzt verkomsumieren – bei bestimmten Filmen, ein Hochgenuß! Dein Statement fällt absolut negativ aus – ich möchte für mich doch differenzieren:
Beim „Avatar“ war ich absolut fasziniert von der Bildgewalt, den Farben und den so sehr verstärktem „Fast-Life-Erleben“! Ich war ebenso sehr skeptisch, hatte große Bedenken wegen dem Brillengedöns und der WAhrnehmung der Augen ( bin ja nicht mehr so Sehstark wie früher und reagiere auf Optische Impulse sehr stark – z.B. wird mir nach einiger Zeit bei „Tomb Raider“ Spielen schlecht und schwindlig) , hab mich auch echt schwergetan, genau deshalb und zu Anfang die Brille immer mal wieder abgesetzt.
Aber die Genuß und die Faszination der Bilder trieben mich immer wieder zum „Aufsetzten“ und ich fand es überwältigend.
Kann sein, dass der Film grob gesehen, relativ einfach gestrickt war – mich berührte, wie so viele, das was in mir an Sehnsucht nach Dingen angesprochen wurde, nach denen sich der Mensch zutiefst sehnt. Dieser Film löste in mir viele gesellschaftskritische Gedanken aus, bestätigte den lang erreichten Eindruck, dass unsere GEsellschaft die wichtigsten Werte verloren hat und Menschen nichts mehr wert sind. Ich erlebte auch, dass Freunde einen Abend lang sprachlos blieben ob der Eindrücke – und die kamen überwiegend wegen dem 3D-Erlebnis so stark rüber.
Dennnoch finde ich, dass die ganze 3D-Sache derzeit marktwirtschaftlich nach Strich und Faden ausgenutzt wird. Ich würd mir nie einen 3D-TV kaufen, bin dem ganzen Eifön-Pad-undsonstigem Wahn nicht erlegen, habe mich zurückreduziert auf das, was ein MEnsch im „normalen täglichen Leben“ bewältigen kann und hab selbst damit noch nicht die Ruhe gefunden endlich mal wieder ein Buch zu lesen.
Also. 3D- hin und wiederim großen Kino bei einem guten Film – JA, absolut! Für zuhause an der Glotze oder übermäßig viel im Kino -NEin!
und dazu:
„ganz witzig. Vor allem dann, wenn man den Blick einmal von der Leinwand abwendet und über die Menge der bebrillten Zuschauer schweifen lässt. Großartig“ — JA… ich hab mich auch schepp gelacht!
grüßle
Autor
Hey Crofti! Genau so stell ich mir das vor – Kritik an der Kritik 🙂
Und Du hast vollkommen recht, ich lasse nicht wirklich viel Gutes an den 3D-Filmen. Daher habe ich, als Beispiel für meine Ausführung, auch absichtlich AVATAR gewählt. Im Bereich dieser Filmkategorie ist er bisher das Nonplusultra. Das ändert aber nichts an meinem Empfinden. Wie ich ja schrieb, ist er für mich auch ohne 3D bildgewaltig und ich kann daher gut und gerne auf eine 3D Ausführung verzichten. Sie ist in meinen Augen ( 😉 ) einfach kein überzeugender Zugewinn.
Und natürlich hast du auch mit den Sehnsüchten recht. Genau das wollte ich aber mit dem Vergleich zu Cowboy-und-Indianer-Filmen zeigen. In unserer undurchsichtigen, komplexen Welt, suchen wir nach klaren Strukturen und Grenzen, einer Art Schwarzweißfilter, um Gut und Schlecht wieder eindeutig unterscheiden zu können. Und Avatar, als modernes Märchen, zieht diese Grenze doch sehr genau. Dieser Umstand macht ihn für mich aber nicht zu einem besseren Film. Alles in allem ist es für mich gutes Unterhaltungskino und das ganze auch ohne 3D. Nicht mehr und nicht weniger.
Grüßle,
Michel