Normalerweise beschäftigt sich Asphalt-süchtig.de ja ausschließlich mit all dem, was sich sowohl auf öffentlichen als auch auf abgesperrten, asphaltieren Strecken schnell und sportlich bewegen lässt. Reiseenduros gehören da auf den ersten Blick eher nicht dazu. Da aber schon so manch gebückter Hobbysportler von einem entspannt aufrecht thronenden GS-Reiter bösartig hergebrannt wurde, ließ ich mich nicht zweimal bitte, als Dunlop zur Vorstellung des neuen Straßenenduroreifen TrailSmart lud. Schließlich lernt man ja nie aus.
Und schon der erste Blick in die Produktbroschüre verriet, dass die Bereifung für die heutige Generation von Straßenenduros nichts mehr mit dem Stollenprofil gemein hat, welches man automatisch mit dem Begriff Enduro verbindet. Vielmehr erinnert das Profildesign des neuen TrailSmart an den alten Michelin Pilot Sport, wie man ihn Anfang der 2000er Jahr auf fast allen Supersportlern fand. Die Pelle aus Frankreich überzeugte damals nicht nur Tester und Käufer mit ihrem sehr sportlichen Charakter, das Magazin MOTORRAD attestierte dem Reifen sogar Rennstreckentauglichkeit.
Die Sportfahrer von damals sind für den Dunlop TrailSmart auch die Zielgruppe von heute. Viele der ehemaligen Hobbyracer drehen zwar immer noch ordentlich am Hahn (ich erinnere an die erniedrigende Geschichte eingangs des Artikels), sie ziehen inzwischen aber die aufrechte Fahrt der gebückten Haltung vor und nehmen auch eher mal die Ehefrau auf dem Sozius zur Ausfahrt mit, anstatt allein immer wieder die Hausstrecke hoch und runter zu brennen.
Die Prämisse ist aber immer noch eher „Ballern statt Bummeln“. Dass beim neuen TrailSmart als Straßenenduroreifen mit einer Nutzungsauslegung von 90 Prozent Asphalt und lediglich 10 Prozent „Offroad“ der Einsatz abseits befestigten Geläufs kaum von Bedeutung ist, spielt daher nur eine untergeordnete Rolle. Dunlop verspricht zwar durch einen größeren Negativprofilanteil bessere Offroad-Eigenschaften als die Mitbewerber, das abenteuerlichste, was Reifen, Fahrer und Untersatz wohl aber in den meisten Fällen erleben werden, ist wahrscheinlich ein nicht asphaltierter Parkplatz.
Das Hauptentwicklungsziel lag daher auch in einem anderen Bereich. Da der direkte Vorgänger Dunlop Trailmax TR 91 in Tests vor allem durch sehr guten Grip unter allen Bedigungen überzeugen konnte, dafür aber bei der Laufleistung schwächelte, stand vor allem die Haltbarkeit auf der To-Do-Liste der Entwicklungsingenieure. Nebenbei sollte die Anzahl der verfügbaren Reifendimensionen erhöht werden, um den Reifen auch für Motorräder älterer Baujahre zugänglich zu machen.
Um den ungewünschten Reifenabrieb zu verringern und damit die Haltbarkeit des Gummis zu steigern, tüfftelten die Fachleute bei Dunlop hauptsächlich am Design des Profils und vergrößerten beim TrailSmart den Profilrillenwinkel. Die dadurch erzielte Vergrößerung der Profilblockbasis sorgt für eine höhere laterale Steifigkeit und mindert so ungleichmäßigen Abrieb an den Profilkanten. Dunlop verspricht dadurch eine um bis zu 15 Prozent erhöhte Laufleistung, ohne bei Handling sowie der Trocken- und Nass-Haftung an Qualitäten einzubüßen. Im Gegenteil. Vor allem auf feuchtem Geläuf soll der neue TrailSmart – dank höherem Silica-Anteil in der Gummimischung und dem XGT (Cross Groove Tread) genannten Profilmuster – sogar noch an Performance zugelegt haben.
Darüber hinaus hat sich laut Dunlop die Hochgeschwindigkeitsstabilität verbessert und die Auflagefläche in Schräglage soll sich am Hinterreifen um bis zu vier, am Vorderrad sogar um bis zu elf Prozent vergrößert haben. Für sportlich ambitionierte Fahrer liest sich das schon mal ganz gut.
Die Armada an Testmotorrädern, die Dunlop in den Spessart mitgebracht hatte, war dann leider schon wieder etwas weniger sportlich, bot aber die gesamte Palette an Dickschiffen, mit der der gesetzte Racer heute bevorzugt auf große (und kleine) Fahrt geht. Von der schlanken KTM 1050 Adventure, über Hondas Crosstourer, bis hin zu BMWs Wuchtbrummer GS 1200 R war alles vertreten, was aktuell so durch die Lande tourt.
Eigentlich optimale Vorraussetzungen, um erste Erfahrungen mit den Straßenkreuzern und dem noch unbekannten Reifen zu sammeln. Dass man auch mit einem Straßenenduroreifen zügig ums Eck kann, hatte beim Test des Honda Crossrunner auf dem anspruchsvollen Kurs des Baden Airparks bereits der Pirelli Scorpion unter Beweis gestellt. Nur Petrus machte den Schwarzgelben aus Hanau und uns angereisten Testern einen Strich durch die Rechnung. Statt Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen schickte er tiefhängende Wolken und Dauerregen.
Glücklicherweise verfügen die meisten Reiseenduro von heute über alle erdenklichen elektronischen Helferlein, sodass man auch mit unbekanntem Material sorgenfrei in See stechen kann. Achtern werkelt in fast allen aktuellen Reiseenduros ein Antiblockiersystem und nimmt trotz der fehlenden Rückmeldung vom Vorderrad auch dem Ankern bei Nässe den Schrecken. Nervösen oder unsensiblen Gashänden und einem ausbrechenden Heck wirken entweder ein Regen-Mapping (z.B. KTM und Yamaha Super Ténéré) oder sogar eine Traktionskontrolle (Honda Crosstourer) entgegen.
Da sich aber keines der Testmotorräder durch überbordende Leistung auszeichnete, sondern mich eher das Gewicht, die hohen Lenker und das daraus resultierende, fehlende Gefühl fürs Vorderrad mit Respekt erfüllten, entschied ich mich für die ersten, verregneten Kilometer für die sportlichste Vertreterin aus der Flotte der Testmotorräder – KTMs 1050 Adventure.
Die KTM hielt, was ich mir erhoffte und die kommode aber noch recht aktive Sitzposition sowie der angenehm gekröpfte Lenker schafften schnell Vertrauen zum Motorrad. Auch die Motorleistung von „nur“ 95 PS war ein beruhigendes Argument, die erste Etappe auf der Mattighofnerin zurückzulegen. Zwar verfügt auch die KTM über verschiedene Mappings, welche sich durch das einfach zu bedienende Menü auch ohne Vorkenntnisse und während der Fahrt wechseln lassen, doch dank der sehr sanften Gasannahme kommt man mit dem VauZwo auch ohne elektonische Unterstützung sehr gut zurecht.
Ganz anders verhielt sich die Sache auf Yamahas Super Ténéré. Nicht nur, dass man ihr die gut 22 Kilo Mehrgewicht anmerkt (257kg vollgetankt gegen 235 kg bei der KTM), auch die Sitzposition mit dem sehr nah am Fahrer positionierten Lenker trägt ihren Teil zum Unwohlsein bei. Ganz zu schweigen von der harten Gasannahme. Das kann die KTM um Längen besser.
Das trifft leider auch auf die Elektronik zu. An ein Wechseln des Mappings während der Fahrt war bei Super Ténéré nämlich nicht zu denken. Zu wenig intuitiv ist das Menü, als das man mit beschlagenem Visier sowie kalten und klammen Fingern noch die passende Einstellung finden könnte. Und auch die Ganganzeige arbeitet mehr schlecht als recht.
Da gefielen die Dunlops auf beiden Maschinen schon besser. Der Reifen verrichtet seinen Dienst auffällig unauffällig, was bei strömendem Regen und nasser Fahrbahn eine Wohltat fürs Nervenkostüm ist. Vor allem dann, wenn wie bei der Yamaha unter Deck einen Motor vom Typ „unsensibler Zeitgenosse“ seinen Dienst verrichtet.
Leider vereitelte das schlechte Wetter einen aussagekräftigen Test und vor allem die herausragenden Grip- und Handlingeigenschaften des Vorgängermodells konnte der neue TrailSmart durch die widrigen Bedingungen nicht unter Beweis stellen. Das traf natürlich auch auf die laut Dunlop verbesserte Hochgeschwindigkeitsstabilität zu.
Stattdessen überzeugte Dunlops neuer Pneu aber durch seine sehr gute Nassperformance. Weder die harte Gasannahme der Yamaha, noch beherzterer Bremsmanöver konnten den Reifen beeindrucken und das ABS in den Regelbereich bringen. Die zügige Gangart jenseits der Grenzen der StVO ist also auch bei Regenfahrten überhaupt kein Problem. Und vor allem dann will man in der Regel ja möglichst schnell nach Hause oder zum nächstgelegenen Rastplatz. Falls ihr also demnächst auf eurer Hausstrecke von einer GS oder einer Suzuki V-Strom mit Sozia das Fell über die Ohren gezogen bekommt, schaut euch am Motorradtreff die Bereifung des Schlachtschiffs mal genauer an. Zumindest bei nasser Fahrbahn ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es ein TrailSmart ist.
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