Yamahas MT-Reihe hat sich seit der Einführung der MT-09 im Jahr 2013 zum Verkaufsschlager entwickelt und erfreut sich immer noch wachsender Beliebtheit. Aufgrund der fehlenden sportlichen Ausrichtung konnten wir uns bisher aber noch nicht wirklich für die Modellpalette begeistern. Mit der MT-10 schoben die Japaner in diesem Sommer nun aber ein Motorrad an den Start, welches auch unsere Aufmerksamkeit erregte. Der Motor stammt aus der aktuellen R1 und auch Fahrwerk und Rahmen sind am Flaggschiff angelehnt, sodass die Neue auf dem Papier mit Abstand der stärkste und sportlichste Spross der MT-Familie ist. Wir erwarteten also Großes. Doch wie gut ist der neue Kraftprotz mit den drei Stimmgabeln wirklich? Hat er das Potential, in der Liga der Power-Nakeds ganz vorne mitzufahren? Um das herauszufinden, ließen wir den Neuankömmling gegen die Mutter aller Roadster antreten – Triumphs Speed Triple. Und da die Yamaha-Mannen die MT-10 nicht nur als HYPER-Naked titulieren, sondern mit der Dark-Side-Kampagne auch auf „Böser-Buben“ machen, entschieden wir uns natürlich nicht für irgendeine Triple, sondern für das Schärfste, was die Briten im Programm haben – die Speed Triple R. Mögen die Spiele beginnen.
Krawallbrüder
Mutig ist man bei Yamaha, das muss man den Japanern lassen. Während sich im High-End-Bereich beim größten Mitbewerber Honda seit Jahren kaum etwas tut, sieht die Welt bei Yamaha in Iwata ganz anders aus. Denn während Hondas Superbike-Flaggschiff CBR 1000 sowohl optisch als auch technisch noch auf der SC59 aus dem Jahr 2008 basiert, hat man bei Yamaha seither gleich zwei komplette Neuentwicklungen auf den Markt geworfen. Nun machte Yamaha 2016 auch bei den Naked-Bikes einen großen Schritt, präsentierte mit der MT-10 das nächste Modell im oberen Hubraum-Segment und wagt sich hier sogar beim Design auf neues Terrain.
Auch wenn sich am Äußeren der MT-10 die Geister scheiden, optisch wird die neue Yamaha auf jeden Fall dem angepeilten Image gerecht und strahlt das aus, was die MT-10 gern sein möchte: ein böser Krawallbruder. Das futuristisch-kantige, leicht düstere Design ist auf jeden Fall ein Hingucker und suggeriert mit der grimmig schauenden Maske jede Menge Angriffslust. Diese wird bei einem Blick ins Datenblatt noch verstärkt. In der MT-10 werkelt der Crossplane Motor der aktuell R1-Generation, welcher aber für die Landstraßenballerei auf mehr Mid-Range-Power getrimmt wurde. Das Triebwerk leistet laut Yamaha nun „nur“ noch 160 PS, schickt sein maximales Drehmoment von 111 Nm dafür aber schon bei knapp über 9000 Touren in Richtung Hinterrad. Bei einem fahrfertigen Gesamtgewicht von 210 Kilogramm sollte das Triebwerk also keine Probleme haben, Ross und Reiter im Attackemodus von Kurve zu Kurve zu katapultieren.
Da kommt die Speed Triple R als Gegenspielerin in unserem Vergleich schon etwas weniger einschüchternd daher. Zum einen ist ihr Design zwar extrem stimmig und äußerst gelungen, strahlt aber nicht ansatzweise so viel Aggressivität aus wie das der MT. Zwar schaut auch die Triumph mit ihren beiden Scheinwerfern recht böse aus der Wäsche, macht mit den Lenkerenden-Spiegeln aus dem Triumph-Zubehörkatalog auf dicke Arme und unterstreicht mit dem roten Rahmen ihre sportlichen Ambitionen, im Vergleich zur Yamaha wirkt sie aber fast brav. Auch die Eckdaten sind auf den ersten Blick nicht gerade einschüchternd. Der 1050 Kubikzentimeter große Drilling leistet ganze 25 PS weniger als das Yamaha-Aggregat und auch die Rundungen der Britin spiegeln sich auf der Waage wider – sie ist mit 216 kg ganze 12 Pfund schwerer als die Yamaha. Aber es gibt einen Lichtblick: Beim Thema Drehmoment herrscht wieder Gleichstand und hier lässt die Triumph sogar erheblich früher alle Muskeln spielen und kredenzt ihrem Reiter schon zwischen 7500 und 8000 U/min die vollen 111 Nm Drehmoment. Das klingt schon eher nach Spaß auf der Landstraße.
Auf den zweiten Blick
Aber genug geschaut, es wird Zeit, auch die anderen Sinne zu aktivieren. Also Schlüssel drehen und den Anlasser gedrückt. Wie bei den Motorkonzepten zu erwarten, starten beide Motorräder auch akustisch eine Charmeoffensive auf den Fahrer, der Sound fällt jedoch nicht so ganz so wohlig aus, wie erwartet. Da es sich bei beiden Modelle um Neuerscheinungen handelt, die bereits in diesem Jahr Euro 4-konform ausgeliefert werden (Anm.d.Red.: Neue Emissionsbestimmung ab 01.01.2017), fiel leider ein Teil des Charakters der EU-Regelwut zum Opfer. Nicht, dass wir uns hier falsch verstehen: ich bin überhaupt kein Freund von ausgeräumten Endtöpfen und muss auch keine Passanten mehr beeindrucken, aber hier passiert klangseitig einfach zu wenig, was beiden Moppeds Punkte in der Emo-Wertung kostet. Die holt sich die Speedy aber umgehend mit der Ergonomie zurück. Absolut beeindruckend, wie perfekt das 2016er Modell den Fahrer auf dem Motorrad positioniert. Man sitzt nun vorderradorientierter, die Hände greifen den breiten Lenker in einer entspannten Höhe, die aber immer noch genügend Sportlichkeit bietet. Das Sitzpolster ist als komfortabel bis straff zu bezeichnen und auch die Position der Fußrasten sowie der Kniewinkel schaffen den Spagat zwischen sportlich-aktiv und entspannt. Hier ist auf jeden Fall viel mehr Action, als man es auf den ersten Blick erwartet.
Genau umgekehrt verhält es sich bei Yamahas Schattenkrieger. Auch hier wird der Fahrer sportlich-komfortable platziert, die Auslegung ist aber bei weitem nicht so fahraktiv wie auf der Gegenspielerin aus Großbritannien. Der Lenker ist erheblich höher als der der Triumph, der Kniewinkel etwas touristischer und auch die Sitzbank baut nicht ganz so schmal wie die der Engländerin. Und nicht nur die Sitzposition lässt etwas Sport vermissen.
Auch der Rest des Gesamtpakets ist weniger kompromisslos als gehofft. Schon beim Einlegen des ersten Gangs stutzt man kurz. Man erwartet ein sportlich direktes Getriebe mit knackig kurzen Schaltwegen, wird aber von einem etwas knochig zu schaltenden Gegenteil überrascht. Einen Quickshift zum schnelleren Durchwechseln der Gangstufen gibt es leider nur als Zubehör. Ähnlich grob geht es beim Anfahren weiter. Wie alle aktuellen, sportlichen Motorräder verfügt die Yamaha zwar über verschiedene Motormappings (Modi: A, STD und B) und eine ebenfalls dreistufige Traktionskontrolle, bei der Abstimmung der Mappings haben die Ingenieure aber kein sensibles Händchen bewiesen. Und genau das spürt man auch beim Gasanlegen. Vor allem im Stadtverkehr ist tatsächlich nur der Modus STD (das Yamaha Standardprogramm) zu empfehlen. Die Modi A und B agieren hier zu unsensibel und kosten zu viel Konzentration.
Lässt man den urbanen Dschungel hinter sich und bläst zur engagierten Hatz auf der Landstraße, lässt sich auch mit der rauen Gasannahme in den Modi A und B Spaß haben. Die Traktionskontrolle sollte man hier aber sicherheitshalber auf Stufe 2 einstellen. Zum einen baut man so eventuellen Rutschern bei etwas unwirschem Gaseinsatz vor, zum anderen bewegt man sich hier auch in Drehzahlbereichen, in denen der Motor zu einem echten Freudenspender wird. Geht das Aggregat unter 5000 Touren eher unspektakulär zu Werke, erwacht ab dieser Schallmauer der Vierling nicht nur akustisch zum Leben, sondern setzt kurz darüber ab 6000 Umdrehungen auch ordentlich Leistung frei. Hält man den Crossplane-Motor über dieser Marke und ordentlich auf Zug ist der Ritt auf der Yamaha nicht nur ein echter Ohrenschmaus. Ab hier gehen beim Sprint von Kurve zu Kurve auch Mundwinkel und Vorderrad regelmäßig synchron nach oben. Beim Anbremsen der nächsten Ecke relativiert sich die ganze Sache dann aber schon wieder, da die Bremse (ABS nicht abstellbar) nicht nur ordentlich Handkraft benötigt, um ordentlich zu verzögern, es fehlt ihr auch etwas an Transparenz und durch den hohen Lenker das Gefühl fürs Vorderrad. Auch das Fahrwerk der MT könnte für die sportliche Gangart sensibler agieren. Das voll einstellbare KYB Fahrwerk ist zwar erheblich sportlicher als das Material in den anderen MT-Modelle, leitet schnelle Stöße durch Kanten quer zur Fahrbahn aber mehr oder weniger ungefiltert ins Kreuz des Fahrers.
Very British
Das man in Großbritannien viel Wert auf gute Manieren legt, ist wohl hinlänglich bekannt. Doch wie kultiviert sich Triumphs Raufbold im Vergleich präsentierte, hat uns während des Tests dann doch überrascht. Auch bei der Speed Triple viel schon beim Anfahren das Getriebe auf, hier aber (fast) durchweg positiv. Die Triumph Schaltbox macht zwar beim Einlegen der Gangstufen oft lautstark auf sich aufmerksam, das Schalten selbst funktioniert aber präzise und die Schaltwege sind so kurz, wie man es sich von einem sportlichen Getriebe wünscht. Leider bietet auch Triumph einen Schaltautomat nur als Zubehör, was die Freude hier etwas schmälert. Dafür glänzt die Speed Triple aber mit der Gasannahme des E-Gases. Hier gibt es keine Bowdenzüge mehr, und das Gas-Signal wird rein elektronisch an ECU und Einspritzanlage übermittelt. Das System konnte in allen 5 Mapping-Varianten (RAIN, ROAD, SPORT, TRACK und RIDER – hier ABS und TC abschaltbar) voll überzeugen und verwöhnt den Fahrer ab Standgasniveau mit einer direkten und sensiblen Gasannahme. Der Motor selbst bietet in den höheren Drehlzahllagen nicht ganz den Erlebniswert des Yamaha-Triebwerks, kann aber trotz des nicht zu verachtenden Leistungsmankos (zur Erinnerung: 135 zu 160 PS bei der Yam) ansonsten auf ganzer Linie punkten. Das liegt zum einen am früher einsetzenden Punch des Trillings, zum anderen an seiner enormen Drehfreude. Hier sollte man beim Schalten echt auf Zack sein, denn der Begrenzer bei 10.000 Umdrehungen kommt viel schneller als man denkt. Ebenfalls bemerkenswert: Obwohl man den Drilling bei der engagierten Hausrunde gegen die MT-10 immer etwas mehr zwirbeln muss, sind auch seinen Trinkgewohnheiten kultiviert. Denn während sich die Yamaha auf unserer 300-KM-Testrunde fast 8 Liter pro 100 Kilometer hinter die Binde goss, begnügte sich die Britin mit etwas über fünf. Abgerundet wird das Paket durch ihr feinfühliges Öhlins Fahrwerk (Gabel: NIX 30, Federbein TTX 36) und das sehr agile Fahrverhalten. Hier liegt die MT auf dem Papier zwar theoretisch vorne, da sie 6 Kilogramm leichter ist und mit 1400 Millimetern den kürzeren Radstand hat (1445 bei der Triumph), im Kurvenkampf hat die Triumph aber dennoch die Nase vorn.
Wird das Geläuf schnell, zieht die Yamaha aber wieder gleichauf, auf der Autobahn dann sogar problemlos vorbei. Zwar bieten beide Motorräder nur eine knapp geschnittene Lappenmaske als Windschutz, wenn man aber auf der langgestreckten Sitzbank ganz nach hinten rutscht, ist vor allem auf der MT der Windschutz beachtlich. Hier steckt man auch längere Etappen über 180 km/h problemlos weg und knallt auch mal kurzzeitig mit Ü260 über die Bahn. Für die Triumph ist hier dann schon lange Schluss. Nicht nur, dass der Orkan ab über 200 km/h ordentlich an Kopf und Schulter reißt, bei 250 km/h findet der Vortrieb auf der Britin bauartbedingt sowieso ein jähes Ende. Für einen Landstraßenfeger ist das aber natürlich ein Bereich, der niemand mehr wirklich interessiert. Für Langstreckenflieger ist noch der Tempomat der Yamaha erwähnenswert. Dabei handelt es sich für den aktiven Fahrer zwar eher um ein überflüssiges Gimmik, wenn es vorhanden ist, hat es aber durchaus seinen Reiz und auf langweiligen Autobahnetappen erwischt man sich immer wieder beim Spielen damit. Das trifft natürlich nicht nur auf den Tempomat, sondern auf alle Elektronik-Features der Moppeds zu. Inzwischen sind zum Glück fast alle Systeme recht intuitiv zu bedienen (auch das der Yamaha, über das ich mich im letzten Jahr bei der Ténéré noch ziemlich beschwert haben), aufgrund der Gestaltung des Menüs und der Armatur liegt hier die Triumph aber leicht vorn.
Was denn nun?!
Stellt sich am Ende noch die Frage, welches Motorrad die meisten Körner sammeln konnte. Nimmt man die reine Landstraßen-Wertung allein, geht der Pokal an die Triumph. Zwar bietet der Motor der Yamaha viel Erlebniswert, dank des tollen Handlings, des großartigen Fahrwerks und der extrem gelungenen Ergonomie führt hier aber kein Weg an der Triumph vorbei. Da helfen auch die 25 Mehr-PS nicht. Bezieht man aber die emotionale Komponente mit ein, sieht es für die MT wieder erheblich besser aus. Das Design polarisiert und ist auf jeden Fall ein echter Hingucker, egal, ob man es nun mag, oder nicht. In Kombination mit dem Sound des Crossplane-Motors ist einem die Aufmerksamkeit immer gewiss. Darüber hinaus punktet die Yam bei der Langstreckentauglichkeit mit dem besseren Windschutz und dem Tempomat. Diese Qualitäten hat man inzwischen auch bei Yamaha Deutschland auf dem Zettel und arbeitet gerade an einer touristischeren Umbau-Version der MT, die nicht nur durch ein Koffer-Set reisetauglicher wird, sondern durch die Soziusrasten der Tracer auch beifahrerfreundlicher werden soll.
Die Wahl wird also wie so oft vom Verwendungszweck entschieden. Suchst du ein Brenneisen mit guten Manieren, ist die Speed Triple R ein heißer Kandidat. Hier solltest du aber auf jeden Fall zur R-Version greifen. Der Mehrpreis (12.490 € plus NK gegenüber 10.990 €) ist gut investiert. Bist du eher der Typ für den großen Auftritt denn den schnellen Ausritt, ist die MT eher die richtige Wahl.
Für MojoMag-Mastermind Clemens Gleich, mit dem wir die Motorräder gemeinsam testeten, ist die Sache klar:
„Ich habe nicht viel von der Triumph erwartet. Deshalb war ich vollkommen unvorbereitet darauf, wie gut sie fuhr. Sie sticht die Yamaha in allen Punkten außer Motorleistung unschlagbar aus.“
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