Pfingsten beschert uns alle Jahr wieder nicht nur ein langes Wochenende, sondern ist in Deutschland, dank des Fischereihafenrennens in Bremerhaven, nun schon seit mehreren Dekaden untrennbar mit Road Racing verbunden. Auch dieses Jahr pilgerten wieder Tausende Motorsport-Fans zum Fishtown-Race. Doch es war nicht das einzige Highlight, das Freunden des Road Racing an diesem Wochenende geboten wurde. Zeitgleich fanden im holländischen Oss die Rennen drei und vier zur International Road Racing Championship statt und auch hier konnte man feinsten Straßenrennsport erleben.
Dass das gemeinsame Veranstaltungsdatum nicht nur die Zuschauer vor die Qual der Wahl stellte, zeigte ein Blick in die Starterliste für die Rennen in Oss. Neben dem auf der Isle of Man schwer gestürzten, amtierenden Supersport-Meister Laurent Hoffmann fehlten mit Dennis Günther (SSP), Denis Sanchez (SSP), Thilo Günther (SBK), Mike Bammann (SBK), Foti Psomadakis (SBK) und Thomas Kreutz (SSP/SBK) gleich 6 Stammfahrer im IRRC Starterfeld. Da Thomas Kreutz beim ersten Termin in Hengelo nicht nur in der Supersport-Klasse, sondern auch bei den Superbikes ein erstes Ausrufezeichen setzen konnte, war seine Abwesenheit gleich ein doppelter Verlust. Und im Verlauf des Wochenendes sollte sich die Fahrerzahl leider noch weiter reduzieren.
Der Kurs
Wenn man den Begriff Road Racing hört, denkt man dabei meist automatisch an zwei verschiedene Szenerien. In Variante eins ballern die Piloten bei voll gespanntem Hahn durch idyllische Kleinstädte und jagen auf der Suche nach der Ideallinie mit nur wenigen Zentimetern Abstand an Hauswänden, Gartenzäunen und Laternenmasten vorbei. Die zweite Variante spielt außerhalb geschlossener Ortschaften. Hier fällt die Tachonadel nur selten unter 200 Kilometer pro Stunde und anstatt der urbanen Gefahrenstellen sind es nun enge Alleen, Weidezäune und Steinmauern, an denen die wilde Hatz unschön enden könnte. Nicht weniger spektakulär und mindestens genauso gefährlich.
Während der Varsselring in Hengelo zumindest landschaftlich noch an Variante 2 erinnerte, kommt die Strecke in Oss völlig anders daher. Der knapp 3,5 Kilometer lange Paalgraven Circuit schlängelt sich nämlich nicht durch Dörfer oder Wälder und Wiesen, sondern verteilt seine zwei Schikanen, acht mehr oder minder langen Geraden und neun Kurven über das Industriegebiet von Oss. Das wirkt auf den ersten Blick nicht besonders attraktiv, bot aber überraschend spannenden Motorsport.
Die Trainings
Wie in Hengelo fanden in Oss nicht nur die Rennen der IRRC statt, sondern es wurden auch hier die Rennen zur holländischen Meisterschaft ONK ausgetragen. Und auch dieses Mal waren es die schnellen Jungs aus Holland und Belgien, die der Veranstaltung bereits am Trainingstag ihren Stempel aufdrückten.
Bei den Supersportlern war es IRRC-Gaststarter Davy Thoonen, der das ganze Wochenende den Ton angab und der Konkurrenz ab dem ersten Quali über ein Sekunde aufbrannte. Erstaunlicherweise kam auch der Tscheche Marek Červený von Beginn an sehr gut mit dem neuen Kurs zurecht und konnte seine Kawasaki mit der Startnummer 345 vorläufig auf dem zweiten Platz parken. Doch schon im zweiten Training stellten der Timothy Baken (BE) und Joey den Besten (NL) die Hackordnung wieder her und verdrängten den Tschechen auf Position 4. Als schnellster Deutscher beendete Thilo Häfele das Qualifying und fuhr trotz eines ausgerenkten Rückenwirbels mit einer 1:40,711 auf Startplatz sieben.
Ebenfalls erheblich körperlich beeinträchtigt startete Marcel Zuurbier ins Rennwochenende. Der sympathische Holländer kämpft immer noch mit den Folgen seines schweren Unfalls beim zweiten Rennen in Hengelo und fuhr auf seiner Hausstrecke unter starken Schmerzen. Nachdem er Training Nummer eins nach nur 3 Runden abbrechen musste, fuhr er im zweiten Qualy doch noch auf Startplatz 24.
Bei den Superbikes war es Lokalmatador Arie Vos, der, wie auch schon in Hengelo, eine Bestzeit nach der anderen aus dem Ärmel schüttelte und sich mit einer 1:34,493 souverän die Poleposition sicherte. Doch er war nicht der einzige Gaststarter, der es im Industriegebiet richtig fliegen ließ. Mit Nicky de Wit, Allard Kerkhoven und Nelson Rolfes folgten ihm 3 weitere ONKler, sodass die ersten 4 Startplätze in beiden Trainings fest in den Händen der Gäste aus der holländischen Meisterschaft waren. Erst auf Platz 5 stand mit Johan Frederiks ein IRRC Stammpilot.
Titelverteidiger Didier Grams kämpfte nicht nur mit der neuen Strecke – Oss war in diesem Jahr das erste Mal im IRRC Kalender – sondern vor allem mit einem wandernden Druckpunkt an seiner ABS-unterstützten BMW-Bremse. Wurde das Problem erst in verschlissenen Belägen vermutet, zeigte sich leider auch im zweiten Quali mit neuem Material keine Besserung. Der junge Sachse musste Ende-Start/Ziel gleich zweimal in den Notausgang und drehte mit einer 1:37,872 schlussendlich nur die achtschnellste Runde.
Für die IRRC-Fahrer waren beide Trainings am Sonntag zwar schon kurz nach dem Mittag zu Ende, der Tag sollte aber für alle Beteiligten noch einiges an Action bereithalten. Waren die Bedingungen während der Trainings noch durchwachsen, fand nachmittags bei bestem Sommerwetter nicht nur das erste Seitenwagen-Rennen statt, sondern es gab am frühen Abend auch noch ein 3-Stunden Youngtimer-Rennen. Für Unterhaltung war also gesorgt. Die eigentliche Überraschung folgte dann aber erst zur nachtschlafenden Zeit…
Turbulenter Start
Der Renntag begann für die meisten Teams schon um kurz nach 4 Uhr morgens. So wie die Nacht mit hochsommerlichen Temperaturen begonnen hatte, endete sie auch hochsommerlich. Nun allerdings mit Blitz, Donner und Sturmböen. Und Petrus hatte richtig schlechte Laune. Kaum ein Zelt blieb unversehrt und was am Rand des Fahrerlagers stand, wurde fast überall einfach weggeweht. Zur Freude aller Beteiligten gesellten sich dann noch Starkregen und Hagel dazu. Wenn da keine Stimmung aufkommt.
Dass so ein Sturm durchaus eine reinigende Wirkung haben kann, stellte im Warm-Up der Deutsche Georg Fröhlich unter Beweis. War der ehemalige IDM-Pilot im Quali nicht über das Mittelfeld hinaus gekommen, balgte er sich nun munter mit dem Viertplatzierten Marek Červený. Für die Rennen war also auf jeden Fall mit ihm zu rechnen.
Sonnenklare Sache
Nach den nächtlichen Wetterkapriolen wurde das erste Supersportrennen dann wieder bei strahlend blauem Himmel gestartet. Aber nicht nur das Wetter zeigte sich von seiner besten Seite. Polesetter und IRRC-Gaststarter Davy Thoonen ließ von Beginn an den Hammer fallen und eilte dem restlichen Feld auf und davon. Dahinter konnte sich die ersten 6 Runden Joey den Besten auf Platz zwei behaupten, musste sich in Runde 7 dann aber doch den Attacken von Timothy Baken beugen. Damit war die schon aus dem Training bekannte Reihenfolge wieder hergestellt.
Marek Červený – der Einzige, der dem Belgisch-Holländischen Trio die Stirn hätte bieten können – fiel leider bereits in Runde 4 mit technischem Defekt aus. Im selben Umlauf musste auch Marcel Zuurbier die Segel streichen. Trotz einiger Änderungen am Motorrad waren die Belastungen für die noch nicht ausgeheilten Verletzungen zu hoch.
Schmerzgeplagt war auch der Deutsche Thilo Häfele, der sich trotz eines ausgerenkten Wirbels lange auf Platz 4 behaupten konnte. In Runde 12 wurde er dann aber doch vom ONK Gaststarter Roy Looyesteijn geschnappt und musste sich kurz darauf auch noch Sammy de Caluwe geschlagen geben.
Von und zu Bornhausen
Für unsere beiden Recken vom Team Bornhäusser Motorsport war Oss von Beginn an mit positiven Gefühlen verbunden und sowohl Marc als auch Daryl kamen schon ab dem ersten Training gut mit der Strecke zurecht. Mit den Starplätzen 11 sowie 21 fürs Rennen waren zwar beide zufrieden, zeigten im Warm-Up aber auf, dass noch Potential nach oben vorhanden war.
Und besonders Daryl konnte sich im Rennen erneut erheblich steigern. Mit einer 1:43,102 fuhr er in Rennen 1 fast dreieinhalb Sekunden schneller als im Qualifying und wurde mit Platz 14 und den ersten zwei Meisterschaftspunkten belohnt. Aber auch für Marc lief es gut. Er konnte direkt beim Start fünf Plätze gut machen und kam als Siebter aus der ersten Runde zurück. Diese Position konnte er zwar leider nicht halten, beendete das Rennen aber dennoch auf einem guten neunten Platz.
Kurzes Intermezzo
Hätte man nach dem ersten Supersport-Rennen annehmen können, dass auch der zweite Lauf eine Davy-Thoonen One-Man-Show wird, wurden die Zuschauer an der Strecke nun erfreulicherweise eines Besseren belehrt. Denn diesmal war es Timothy Baken, der als erster aus Runde 1 zurückkehrte und den Gewinner vom Mittag hinter sich halten konnte. Und noch jemand spielte jetzt Vorne mit: Marek Červený. War der schnelle Tscheche im ersten Rennen noch vom Fehlerteufel heimgesucht worden, bestätigte er nun seine gute Form, schnappte sich bereits in der erste Runde Platz 3 und gab diesen bis zum verfrühten Rennende in Runde 7 auch nicht mehr her.
Verantwortlich für den Abbruch zeichnete sich der Moto2 Prototyp von Hendrik Voit, der Ende Start/Ziel mit einem Motorschaden den Dienst quittierte und sein Ableben mit einer lange Ölspur auf der Ideallinie unterstrich. Dank der schnellen Marshalls wurden die Fahrer zwar sofort gewarnt, für den Franzosen Frederic Besnard kamen die Flaggen dennoch etwas zu spät und er fiel mit seiner Kawa der Ölspur zum Opfer, blieb dabei aber unverletzt.
Nicht ganz so viel Glück hatte Georg Fröhlich. Konnte sich der Wechselburger im ersten Durchgang noch von Startplatz 14 auf Position 7 nach vorne arbeiten, wurde er nun durch einen Highsider aus dem Rennen katapultiert. Leider trug dabei nicht nur sein MV Schaden davon, sondern er brach sich dabei auch das Schlüsselbein.
Stürmische Zeiten
Wie sich im Training bereits angedeutet hatte, wurden die Läufe zur IRRC Superbike von den Gaststartern der ONK und vor allem durch Arie Vos dominiert. Aufgrund eines erneut einsetzenden Gewitters wurde das erste Rennen in der siebten von 16 Runden abgebrochen, doch eigentlich war es das passende Wetter zum Auftritt des Lokalmatadors. Dieser stürmte nämlich geradezu vorne weg, brummte der Konkurrenz pro Runde eine knappe Sekunde auf und konnte das Rennen souverän für sich entscheiden. Platz zwei und drei gingen an die ONKler Allard Kerkhoven und Nelson Rolfes.
Da Gaststarter jedoch nicht gewertet werden, konnte sich Johan Frederiks 25 Zähler aufs IRRC Konto buchen. Den zweiten Platz sicherte sich Didier Grams, gefolgt vom Belgier David Drieghe.
Der zweite Lauf wurde ebenfalls zum Schaulaufen des Arie Vos und im IRRC Klassement konnte sich erneut Johan Frederiks die Maximalpunktzahl sichern. David Drieghe (2.) und Didier Grams (3.) tauschte dieses Mal die Plätze und komplettierten so das IRRC Podium.
Im Gesamtklassement führt mit 89 Punkten weiter Didier Grams vor Johan Frederiks. Der amtierende Champion musste bei der letzten Veranstaltung in Holland aber Federn lassen und hat nun nur noch 7 Zählern Vorsprung auf den Zweitplatzierten. Dahinter folgt Frank Bakker mit 43 Punkten auf Platz 3.
Bei den Supersportler macht Joey den Besten seinem Namen alle Ehre und führt vor dem dritten IRRC Rennwochenende in Belgien die Tabelle mit 67 Punkten an. Platz zwei teilen sich mit 2 Siegen und jeweils 50 Punkten noch Timothy Baken und Laurent Hoffmann. Da der Titelverteidiger aufgrund seines Unfalls in diesem Jahr aber nicht mehr antreten können wird, zählt Baken trotz seines Rückstandes von 17 Punkten nach dem 4 Rennen klar zu den Favoriten um die IRRC Krone. Aber auch Marek Cerveny (4./46 Pkt.) sollte die Konkurrenz unbedingt im Auge behalten.
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