Nachdem mein Seitenwageneinstand, nach fast zweijähriger Abstinenz, nicht so prickelnd verlief (wir haben beim IDM-Lauf in Schleiz die Qualifikationszeit um 0,8 sec verpasst), hatten wir vor dem IDM-Finale in Hockenheim noch mal eine Trainingsgelegenheit. Das 14. Zschorlauer Dreieckrennen war für meinen Fahrer und Seitenwagenveteran Horst der ideale Ort, um den Gespannsport wieder einmal der breiten Masse zu präsentieren und für mich bot sich hier die Möglichkeit, wieder etwas mehr Routine als Beifahrer zu sammeln. Doch vorher musste ich, wie immer wenn es zu Rennen im Epizentrum des deutschen Straßenrennsports geht, die knapp 500 Kilometer lange Anfahrt bewältigen.
Da ich freitags leider noch Spätschicht arbeiten musste, konnte ich mich erst am Morgen vor der Veranstaltung auf den Weg ins beschauliche Erzgebirge machen. Zeitlich artet so was natürlich immer etwas in Stress aus, doch es gab noch einen weiteren Punkt, der mir vor der Abreise Sorgen bereitete – das Wetter. Die Woche über war es zwar recht beständig, doch die Vorhersagen für das Wochenende lagen bei achtzig Prozent Regenwahrscheinlichkeit und kühlen Temperaturen.
Als ich Samstagmorgen um 4:30 Uhr ins Auto stieg, war es aber trocken und vom Display der Außentemperaturanzeige leuchteten mir freundliche 14°C entgegen. Vielleicht würde ja alles gut werden.
Meine Hoffnungen zerschlugen sich jedoch rasch. Bis zur bayrisch-sächsischen Grenze war es zwar weitgehend trocken, doch die Temperatur fiel ziemlich genau alle hundert Kilometer um 1°C. Kurz vor Zschorlau war es dann endlich auch nass und sprichwörtlich beim Zieleinlauf sprang die Temperaturanzeige auf unterkühlte 8°C. Das war jetzt gar nicht mehr so freundlich.
Aber egal, ich war endlich da. Und ich stellte erfreut fest, dass das Fahrerlager kaum Wünsche offen ließ. Provisorisch auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums eingerichtet, gab es hier alles, was das Herz begehrt. Bäcker, Tanke, Toilette und sogar einen Schuhladen mit Gummistiefeln fanden sich direkt um die Ecke. Wobei der Schuhladen eher für Touristen geöffnet hatte. Trotz Nässe und einstelligen Temperaturen gab es nämlich Eingeborene, die in T-Shirt, Shorts und Sandalen unterwegs waren. Ohne Socken versteht sich. Die Jungs aus dem Erzgebirge sind anscheinend echt aus einem anderen Holz geschnitzt.
Im Moment war es aber von oben noch trocken und da ich ja meine Premiere in Zschorlau feierte, drehte ich mit dem Beginn der ersten Trainingssession zu Fuß eine Besichtigungsrunde um die Strecke.
Der nur 1,1 km lange Kurs liegt am westlichen Ortsrand von Zschorlau, wobei sich etwas mehr als die halbe Distanz auf einer engen Straße durch das Industriegebiet schlängelt und der Rest ein Vollgas-Bergab-Stück auf einer typischen ostdeutschen Allee ist. Der Alptraum für jeden Sicherheitsbeauftragten. Die Streckensicherheit ist zwar auf Straßenkursen wie Frohburg, dem Halle-Saale-Ring oder Schleiz immer ein schwieriges Thema, vor allem bei so widrigen Wetterbedingungen wie an diesem Wochenende. Aber Zschorlau ist noch mal ein ganz anderes Kaliber. Dennoch kann ich an dieser Stelle schon Entwarnung geben – ein Krankenwagen musste an diesem Wochenende nur ein einziges Mal ausrücken, ausgelöst durch den Herzinfarkt eines Zuschauers.
Aber zurück zum widrigen Wetter. Auf meinem kleinen Streckenrundgang war es dann endlich soweit, es fing an zu regnen. Und zwar sintflutartig. Vormittags war noch kurzzeitig die Sonne durchgebrochen und ich hatte mich der Illusion hingegeben, dass es vielleicht doch noch schön werden könnte. Jetzt hoffte ich nur noch, dass es nicht auch noch anfing zu schneien. Doch es kam, wie es kommen musste. Am frühen Nachmittag gab es dann auch noch gefrorenen Niederschlag. Jedoch nicht in Form des erwarteten Schnees, sondern als Hagel. Von dem gab es aber reichlich. Das letzte Mal, dass ich solche Wetterkapriolen im Hochsommer erlebte, war während einer Uni-Exkursion auf Island.
Die Motorsportfans, die sich trotzdem an der Strecke eingefunden hatten, ließen sich von den Witterungsbedingungen jedoch nicht unterkriegen. Das lag sicher zum einen daran, dass es in dieser Ecke Deutschlands wohl die größten Rennsportenthusiasten gibt. Zum anderen trug mit Sicherheit auch das hochkarätige Starterfeld dazu bei. Denn neben der DDR-Rennlegende Heinz Rosner (MZ), waren auch der 6fache Weltmeister Jim Redman (Honda), Dieter Braun (Yamaha) und Ralf Waldmann mit von der Partie. Vor allem Dieter Braun hatte für den ostdeutschen Motorsport besondere Bedeutung. So führte doch sein Sieg am Sachsenring im Jahre 1971 und die anschließend zu seinen Ehren von den ostdeutschen Fans gesungene, westdeutsche Nationalhymne dazu, dass die damalige DDR-Regierung keine Weltmeisterschaftsläufe innerhalb der Grenze der DDR mehr gestattete. Fortan gab es also nur noch sozialistischen Bruder(Motor)sport.
Und das die alten Haudegen nichts verlernt hatten, stellten sie in Zschorlau eindrucksvoll unter Beweis. Trotz nasser Streckenverhältnisse zogen sie am Kabel, dass die anderen, meist erheblich jüngeren, Teilnehmer wie Statisten aussahen. So fuhr der 71jährige Heinz Rosner mit seiner 300ccm MZ, Baujahr 1976, auf nasser Strecke eine 0:46,690 min Zeit (was einem Schnitt von fast 85km/h entspricht) und distanzierte damit fast das gesamte Feld der Klasse 3 um mindestens 10 Sekunden! An dieser Stelle sollte ich nochmals anmerken, dass die Strecke ja nur tausendeinhundert Meter lang ist…
Endlich Action
Um 15:45 Uhr war es dann auch endlich für uns soweit und wir konnten die ersten Trainingsrunden drehen. Glücklicherweise hatte es schon vor geraumer Zeit aufgehört zu regnen, so dass zumindest die Ideallinie bereits trocken gefahren war. Unsere Klasse (7) umfasste Gespanne aus den Jahren 1981 bis 1995. Der Motor unseres Gespannes ist zwar aus einer GSX-R 1000 K6 und damit erheblich jünger, Rahmen und Schacht der Firma LCR (www.lcr-sidecar.com) stammen jedoch aus dem Jahr 1991 und erlaubten so den Start bei dieser Veranstaltung.
Da es sich beim Zschorlauer Dreieckrennen um einen Classic-Event handelt und die Einteilung der Klassen nach Baujahren erfolgt, fand die Wertung an Hand von Gleichmäßigkeitsläufen statt. Dies hatte natürlich ein breitgefächertes Leistungsniveau zur Folge. Es gab sowohl kurze Formel 2 Gespanne mit 600 ccm, Eigenbauten, als auch 1000 ccm Motorräder wie unser F1-Gespann. Auch die Leistung variierte stark und reichte von den 65 PS eines Eigenbaues mit BMW R65 Motor, bis zu den 180 PS unseres K6 Aggregats. Doch wie das so oft im Leben ist, war Leistung einmal mehr nicht alles. Durch den extrem kurzen Kurs, mit teils sehr engen Kehren, waren kleine F2-Gespanne hier klar von Vorteil. Und so hatten wir im Honda-Gespann von Mario Reinwarth und Knut Rottloff schnell einen würdigen Kontrahenten gefunden. Während die Anderen ruhig ihre Runden drehten, balgten wir uns im Infight um die schnellsten Rundenzeiten. Sehr zur Freude der Zuschauer. Jedes Mal, wenn wir nebeneinander die 180° Kehre am Ende der schnellen Bergabpassage anbremsten, tobte der Mob. Da die Trainingssession aber nur fünfzehn Minuten dauerte, war der Spaß schnell wieder vorbei.
Dafür gab es am frühen Abend einen weiteren Programmpunkt, der sowohl den Gespannfahrern, aber besonders den Zuschauer nochmals einiges an Action bot. Unter dem Motto „Zuschauer fahren im Renngespann“ gab es für die zehnjährige Cynthia Ziegenrücker, die seit einer Zeckenschutzimpfung im Rollstuhl sitzt, noch eine Spendenaktion. Für dreißig Euro hatten hier Mutige und Motorsportbegeisterte die Möglichkeit, vier Runden als Beifahrer im Renngespann um das Zschorlauer Dreieck zu drehen. Trotz der wetterbedingt eher mäßigen Zuschauerzahlen, fand die tolle Aktion reges Interesse, sodass mehrere hundert Euro an Spenden für den behindertengerechten Umbau des Elternhauses der kleinen Cynthia gesammelt werden konnten.
Der „Renn“sonntag
Was im Training am Samstag so unterhaltsam begann, setzte sich sonntags in den Wertungsläufen fort. Während wir den ersten Durchgang am Vormittag klar für uns entscheiden konnten, war im zweiten Lauf kein Kraut gegen die kurze Sechshunderter von Reinwarth/Rottloff gewachsen. Auf nassem Geläuf ging unser Gespann am Kurvenausgang mehr quer als geradeaus und so fuhren uns die Zwei auf und davon. Die schwierigen Bedingungen sollten sich aber noch als positiv erweisen. Durch unsere ständige Rangelei mit dem F2-Gespann, fuhren wir im 1 Lauf sehr unregelmäßige Rundenzeiten, was bei einer Gleichmäßigkeitsfahrt natürlich eher von Nachteil ist. Im nassen Durchgang lagen die Rundenzeiten jedoch alle innerhalb von 1,5 sec, was uns nur wenig Strafpunkte einbrachte und so den dritten Platz bei den Gespannen bis Baujahr 1995 bescherte.
Am Sonntagnachmittag gab es für alle Klassen eine Siegerehrung und wir als Drittplazierte der Klasse 7 waren natürlich mit von der Partie. Aber nicht nur, dass ich hier meinen ersten Pokal bei einer Motorsportveranstaltung errungen hatte, nein, die Trophäen wurden von keinem geringeren als Jim Redman höchstpersönlich überreicht!
An dieser Stelle bleibt mir nur zu hoffen, dass wir auch 2011 wieder an dieser großartigen Veranstaltung teilnehmen können. Die Organisation war hervorragend, den Zuschauern wurde sowohl auf, als auch abseits der Strecke jede Menge Action und Unterhaltung geboten und, was ich besonders wichtig finde, keiner der aktiven Teilnehmer ist zu Schaden gekommen.
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