Inzwischen sind sie fast omnipräsent. Egal, ob beim Snowboarden oder beim Drachenfliegen, ob bei der Tour auf dem Downhill-Trail oder bei der sportlichen Runde mit dem Motorrad auf der Hausstrecke – eine Action-Cam ist fast immer mit dabei. Allerdings lässt der „Action“-Teil der Wortschöpfung häufig aber zu wünschen übrig und ganz oft hat man sogar das Gefühl, dass es beim Einsatz auch nicht mehr so von Bedeutung ist, das Außergewöhnliche auf Film zu bannen, sondern eher einfach das Alltägliche dokumentiert werden soll. Es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis sich auch Nordicwalker eine Kamera vor die Brust klemmen oder Rentner sich eine an den Rollator schnallen. Dank unzähliger Videos aus dem russischen Straßenverkehr wissen wir ja: man weiß nie, was noch passiert.
Aber diese Entwicklung zeigt natürlich auch, dass diese Spielerei, die früher mehr oder weniger ausschließlich von Extremsportlern verschiedenster Couleur eingesetzt wurde, nun auch im Sturm die breite Masse erobert. Und der Siegeszug der Action-Cam ist dabei ganz klar mit zwei großen Namen verbunden: zum einen Youtube und zum anderen natürlich mit der Marke GoPro. Die amerikanische Firma mit ihrem Hauptsitz im Surfer-Staat Kalifornien ist inzwischen fast zum Synonym für die kleinen digitalen Camcorder geworden. Was viele hierzulande aber nicht wissen: mit der Firma Rollei gibt es auch in Deutschland ein Unternehmen, das hochwertige Action-Cams vertreibt.
Das aktuellste Modell des bereits seit 1920 bestehenden Unternehmens nennt sich Actioncam 500 Sunrise und geht schon optisch einen anderen Weg als die meisten anderen Produkte auf dem Markt.
Mit den Maßen 4,5 cm x 4,7 cm x 4,4 cm (TxBxH) kommt sie fast perfekt würfelig daher und ist mit ihren auf dem Papier eher langweiligen Abmessungen überraschend gefällig. Und nicht nur das. Das Design ist auch auf den zweiten Blick sehr gelungen, die Verarbeitung macht einen ordentlichen Eindruck und der verwendete schwarze, leicht raue Kunststoff lässt die Kamera auch wertig wirken. Der Clou an der Geschichte: die ohne Akku nur 68 g leichte Kamera sieht nicht nur gut aus, sondern ist auch ohne externes Gehäuse bis zu 10 m wasserdicht.
So kann man mit der Kamera zwar nicht unbedingt Tauchen oder Surfen gehen, für 99% aller anderen Anwendungen ist sie damit aber bestens geeignet. Und man spart mit diesem Ansatz nicht nur Baugröße sondern auch Gewicht. Das ist mit Sicherheit nicht für alle Anwendungsbereiche von entscheidender Bedeutung, aber besonders für diejenigen interessant, die die Kamera am Helm anbringen und sich vor allem schnell fortbewegen wollen. Denn hier haben beide Faktoren einen beträchtlichen Einfluss. Eine große Kamera bietet zum einem viel Angriffsfläche für den Fahrtwind, was bei schneller Fahrt einen asymmetrischen Druck an Helm und damit an der Nackenmuskulatur verursacht. Zum anderen verstärkt schwere Kamera diesen Effekt nochmal zusätzlich, was vor allem dann störend auffällt, wenn die Cam seitlich am Helm fixiert wird.
Apropos Fixieren: ganz ohne Hülle kommt die Kamera bei der Befestigung dann doch nicht aus. Aber anstatt des üblichen durchsichtigen Kunststoffgehäuses verbindet bei der Sunrise eine Gummihülle die Kamera mit dem Fuß der Halterung. Diese schmiegt sich sehr eng an die Kamera und vergrößerter die Silhouette daher nur unwesentlich. Mit nur 26g fällt auch die Hülle sehr leicht aus. Um den Akku und die Speicherkarte auch bei montierter Kamera wechseln zu können, ist die Hülle im Bereich des Deckels für den Akku- und Kartenschacht ausgeschnitten. Was im Alltag sehr nützlich ist, wird im Falle eines Falles aber sehr wahrscheinlich mit Abstrichen bei der Schutzwirkung erkauft. Je nach Abfluggeschwindigkeit stellt sich allerdings die Frage, ob man die Kamera im Worst Case überhaupt wieder findet, falls man in dem Moment nicht größere Sorgen hat. Es sei denn natürlich, man ist mit dem Rollator unterwegs.
Die inneren Werte
Doch Design und Widerstandsfähigkeit sind das eine, was wirklich zählt, sind die inneren Werte. Bei einer Action-Cam sind das natürlich die Attribute Auflösung und Laufzeit sowie Menüführung und Bedienbarkeit. Beim Thema Auflösung ist die Rollei mit maximal 4K zwar auf Augenhöhe mit dem Klassenprimus GoPro Hero4 Black Edition, hinkt jedoch mit einer Framerate von 15 Bildern pro Sekunde bei maximaler Auflösung und nur 8 Megapixel dem Bestseller aus den USA mit 30 FPS und 12 Megapixel hinterher. Bei einem Preis von 229 € und somit einem Preisunterschied von 300 € gegenüber der UVP der GoPro (Hero Black Edition 529,- €) lässt sich das aber gut verschmerzen. Darüber hinaus können bei der Sunrise maximal MicroSD-Karten mit einer Größe von 32GB verwendet werden, sodass es sich besonders bei längeren Touren und Aufnahmen empfiehlt, aus Laufzeitgründen mit 1080p und 50 beziehungsweise 60 FPS (PAL bzw. NTSC) zu filmen und so die Größe der Videodateien im Rahmen zu halten. Das spart anschließend auch viel Zeit bei der Videobearbeitung.
Die Bedienung der Kamera erfolgt entweder über zwei Tasten an der Kamera oder über das integrierte WLAN per Handy-App. Während die Funktionswahl und Inbetriebnahme über die Tasten trotz des nur kleinen OLED Displays tadellos funktioniert, konnte die App an dieser Stelle nicht überzeugen, da diese nur mit iOS- und Androidgeräten kompatibel ist. Für Windows-Phone-Nutzer wie mich und in Zeiten einer zunehmenden Anzahl entsprechender Smartphones ein echter Wermutstropfen.
In der Praxis
Der Praxistest der Kamera erfolgte natürlich schwerpunktmäßig auf und am Motorrad und hier vor allem auf der Rennstrecke. Wie die meisten Kameras wird auch die Rollei Actioncam 500 Sunrise über Klebepads auf dem Objekt der Wahl befestigt und neben dem bereits angesprochenen Gewichtsvorteil bei der Nutzung am Helm ist hier vor allem die Form und die geringe Baugröße der Kamera positiv aufgefallen. Zu den Testmotorrädern gehörte neben einer Suzuki GSX-R 1000 K5 und eine Yamaha R6 auch eine 2015er BMW S 1000 RR, bei der die Würfelkamera sogar an einer erstaunlich guten Stelle angebracht werden konnte:
Doch nicht nur bei der Montage am Motorrad konnte die Rollei überzeugen. Oft muss es schnell gehen und in der Hektik wird dann schon mal das korrekte Einstellen der Kamera vergessen. So auch geschehen bei einer der ersten Ausfahrten mit der Sunrise. Beim Einstellen unter Zeitdruck fiel dann nicht nur die einfache Menüführung auf, sondern vor allem auch, dass die Kamera auch mit Handschuhe gut und stressfrei bedient werden kann. Ein echter Pluspunkt, wenn sich die Ereignisse mal wieder überschlagen.
Richtig Punkte sammelt der Rollei-Würfel allerdings bei den Fahraufnahmen. Scharfe und kontrastreiche Bilder bei unterschiedlichsten Lichtverhältnissen sowie eine geringe Vibrationsempfindlichkeit lassen vor allem beim beherzten Angasen keine Wünsche offen:
Doch ganz ohne Kritikpunkte kommt auch die Rollei nicht durch den Test im sportlichen Fahrbetrieb. Hier ist das Mikrofon im Frontbereich der Kamera Fluch und Segen zugleich. Da die Sunrise auch ohne schützendes Gehäuse wasserdicht ist und daher keine geschlossene Hülle benötigt, nimmt sie zwar Umgebungsgeräusche sehr gut auf, bei höheren Tempi trifft das aber natürlich auch auf den Fahrtwind zu. Ein weniger schöner Nebeneffekt ist. Etwas Tesa sorgt hier aber für Abhilfe und besten Tonqualität auch jenseits der 200 km/h.
Tolles Spielzeug
Alles in allem ist die Rollei Actioncam 500 Sunrise ein sehr gelungenes Spielzeug und überzeugt sowohl in der Theorie als auch in der Praxis. Sie liefert tolle Aufnahmen unter allen Bedingungen, leistet sich keine großen Schwächen und auch den fehlenden Bildschirm vermisst man im Alltagsbetrieb nicht. Darüber hinaus besticht sie mit dem wertigen und eigenständigen Design, welches ganz nebenbei noch durch seinen Nutzwert überrascht. Für 229,- Euro ist die Sunrise damit eine absolute Alternative zu GoPro und Co..
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